Studierenden-Co-Living bei 'The Fizz': Eine sinnvolle Alternative zum Studierendenwohnheim?

Quelle: von Ahlften

'The Fizz' in Freiburg im Breisgau hat seit letztem Sommer ein neues zentrales Freiburger Wohn-Objekt eröffnet und damit ist Freiburg auch die erste Stadt, die gleich zwei Fizz’ bieten kann. Wem kann diese Einrichtung nützen und was steckt hinter der GmbH?

 

Was ist Co-Living und was verspricht es?

Bei Co-Living-Spaces handelt es sich um eine Mischung aus Hotel und Mietwohnung mit einer Prise WG. Dabei kommt es viel auf den Service-Aspekt an: Es werden gemeinschaftliche Räume, ein Gym, offene und geteilte Küchen, Billardtische, Events oder kleine Kino-Säle geboten. Es wird also nicht bloß ein Raum oder Apartment gemietet, sondern eine Serviceleistung, eine Community und vor allem ein Erfahrungsraum.

The Fizz hat sich in mehreren deutschen Großstädten etabliert und bietet eine Wohnmöglichkeit in überfüllten Städten. Co-Living-Konzepte sind aber schon länger zu beobachten. QUARTERS der Medici Living GmbH oder CAMPO NOVO der Hildebrandt Immobilien GmbH sind nennenswerte Größen unter den Co-Living-Anbieter*innen. QUARTERS vermietet beispielsweise in mittlerweile vier Vierteln Berlins Studio-, Shared- und Private-Apartments. 

Im Fizz wird sich ganz explizit an Studierende gewandt. Die Wohnungsnot ist hier bekanntermaßen besonders groß und der Wunsch nach Gemeinschaft ebenso. Von einem herkömmlichen Studierendenwohnheim möchte sich das Projekt durch Lernräume, Community-, Lounge-Areas, Gaming Room’s und auch Outdoor-Bereiche abheben. Zudem kommen alle Räume voll möbliert und wichtige Elektrogeräte, aber auch Videokonsolen, können ausgeliehen werden. Weiter noch ist das Haus permanent durch eine*n Rezeptionist*in betreut, der*die sich auch um Postannahmen kümmert. 

 

Was sagt das über Stadtplanung aus?

Ganz grundlegend ist das ein Indiz für eine Bevorzugung von gewerblichen Flächen gegenüber sozialem und gesichertem Wohnraum. Wo immer ein The Fizz aufmacht, wurde Gewerbefläche gekauft, die genauso gut ein Büro oder Hotel hätte werden können. Ein Anliegen der Stadt mit diesen Flächen bezahlbaren Wohnraum zu garantieren, ist hier offensichtlich zweitrangig. Es sind Unternehmen, die den Vorrang bei der Entscheidung über Lebensraum und Stadtgestaltung haben. Es geht um wirtschaftlich so gewinnbringende Modelle, dass nicht bloß ein*e Eigentümer*in von der Vermietung profitieren kann, sondern eine ganze GmbH inklusive Angestellter und Investor*innen.

Besonders in Freiburg hat sich das Wohnprojekt begehrte Lagen sichern können. In der Innenstadt liegt das Fizz in einem 50-Millionen-Euro-Projekt-Gebäude und das umringt von verzweifelten Wohnungssuchenden. Die Menge an Wohnungen, die bezüglich Preis und Größe für Studierende, Auszubildende, junge Menschen und Geringverdiener*innen geeignet sind, ist verschwindend gering. Wohnheime des SWFR’s sind stets ausgelastet und Plätze werden ausgelost. Selbst reguläre Wohngemeinschaften haben mehr Anwerber*innen als Zeit zum Casten und oftmals genauso mit steigenden Mieten zu kämpfen.

Hier ergab sich die Marktlücke: Privat betriebene Studierenden-Wohnheime, die teurer, aber dafür komfortabler als ihre staatlichen Pendants sind und mit dem sozialen Aspekt einer Wohngemeinschaft werben. Dabei werden die Preise eines Wohnheimes ungefähr verdoppelt. Momentan kann eine Single-Suite ab 806 Euro monatlich gemietet werden. Der deutsche Staat kalkuliert 325 Euro im BAföG-Satz für die Kosten einer Unterbringung außerhalb des Elternhauses. Wer sich eine Wohnung im Fizz leisten kann, hat also nicht bloß den Luxus sich der Wohnungssuche zu entziehen, sondern gehört auch zu einem ganz besonderen Milieu innerhalb der Studierenden. Der Betreiber Horst Lieder bezieht dazu in einem Interview mit dem jungen Online-Magazin fudder der Badischen Zeitung Stellung: „Wir verstehen uns auch nicht als Jemand, der den Bedarf zu decken hat, sondern als Jemand, der das Produkt Fizz anbietet – und Fizz richtet sich an den unteren Rand des oberen Drittels der Gesellschaft.“

 

Was high-end Co-Living mit dem Konzept des Mietens macht

Ist es eine Befreiung der Mietenden, wenn sich Unternehmen um Instandhaltung und soziale Services kümmern oder vielmehr eine Entmündigung im Mietmarkt? Es ist schon jetzt so, dass sich Unternehmen anstelle von Eigentümer*innen zwischen Mieter*innen und Immobilie etabliert haben. Firmen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen sind dafür bekannte Beispiele. Allerdings sind Co-Living-Projekte um einiges transparenter. Die Wohn-Kontingente werden hier preislich offengelegt und jede*r kann Einsicht erhalten. Durch die monatliche Flexibilität und die bezugsfertigen Apartments wird das Wohnen zum Produkt, dass je nach Budget luxuriöser oder puristischer ausfällt. Es ist nicht persönlich und beansprucht keine Leistungen wie Streichen oder materielle Anschaffungen von Mietenden. Häuser werden zunehmend in kleine Einzelzimmer aufgeteilt und großzügige Wohnungen werden in mehrere Suites umgewandelt. Das verspricht natürlich Flexibilität, einen all-inclusive-Service und einen normierten Standard. Was in solchen Modellen wegfällt, ist das Gefühl eines selbst gestalteten Wohnraumes mit einer organisch erwachsenen Gemeinschaft. Besonders beliebt sind Co-Living-Spaces bisher bei ausländischen Studierenden, die auf Grund von Sprachbarrieren und Distanz auf einen unkomplizierten Ablauf angewiesen sind und sicherlich den Anschluss an Menschen vor Ort besonders wertschätzen. 

 

Für wen ist Co-Living überhaupt?

Momentan ist die Abnehmer*innenschaft für Co-Living ein Klientel, dass mehr Geld zum Mieten zur Verfügung hat, als der Durchschnitt junger Menschen. Es wird im Regelfall nicht der Gruppe ein Angebot gemacht, die besonders von Wohnungsnot betroffen ist. Aktuelle Prognosen befürchten sogar eine Ausweitung der Wohnungsnot und weiter steigende Mieten durch die bisherige Umsetzung von Co-Living-Projekten. In der Kritik steht auch, dass die Anlagen diverse bestehende Gemeinschaften verdrängen und Wohnanlagen auf ein Milieu beschränken würden. Wenn Co-Living eine moderne und faire Zukunftsform des Wohnens bieten soll, dann sollte sich der Fokus auf den gemeinschaftlichen Aspekt verschieben und preislich keinen Nachteil zu WG’s oder Einzelapartments bestehen.


 

Weiterführende Links:

Website: The Fizz: https://www.the-fizz.com

Video: The Fizz Freiburg: https://www.youtube.com/watch?v=WgGKXcMNfP0

Blog-Artikel: How can co-living build on today's student accommodationhttps://www.jll.nl/nl/trends-inzichten/investeerder/how-can-co-living-build-on-todays-student-accommodation

 

Quellen:

dpa. 2019. „720 Euro für 15 Quadratmeter: Wohnungsnot durch Co-Living-WGs?“. Wirtschafts Woche. Abgerufen 25. Februar 2022 (http://www.wiwo.de/finanzen/immobilien/720-euro-fuer-15-quadratmeter-co-living-wgs-sind-teuer-und-koennten-die-wohnungsnot-verschaerfen/25091354.html)

Herceg, Martin. 2014. „Interview mit ‚Fizz‘-Betreiber Horst Lieder: ‚Entmietung ist ein ganz normaler Prozess‘“ fudder. Abgerufen 25. Februar 2022 (https://fudder.de/interview-mit-fizz-betreiber-horst-lieder-entmietung-ist-ein-ganz-normaler-prozess)

O A. o. J. „Zukunftstrend Co-Living“. capital.de. Abgerufen 25. Februar 2022 (http://www.capital.de/immobilien/zukunftstrend-co-living).

O.A. o. J. “CAMPO NOVO – Eine starke Marke!”. CAMPO NOVO. Abgerufen 10. Juli 2022 (https://www.campo-novo-group.de)

O.A. o.J. QUARTERS. Abgerufen 10. Juli 2022 (https://www.quarters.com). 


12.07.22

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